Sieben auf einen Streich: Lorscher Innenstadt trotzt dem Abwärtstrend
Die Innenstädte deutscher Kleinstädte stehen unter massivem Druck. Steigende Leerstände, mangelnde Aufenthaltsqualität und fehlende kulturelle und soziale Angebote lassen die Innenstädte ins Abseits geraten. Lorsch hat diesem Trend durch aktives Handeln rechtzeitig entgegengesteuert.
Die Bahnhofstraße im Wandel. Anfang des Jahres blickte das Stadtmarketing mit Sorge auf die Bahnhofstraße. Altersbedingte Geschäftsaufgaben und bereits vorhandene Leerstände trieben Sorgenfalten auf die Stirn. Doch nicht verzagen, sondern anpacken war die Devise. Proaktives Leerstandsmanagement heißt Fühler ausstrecken, in den Dialog mit Immobilieneigentümer*innen gehen, aktiv nach neuen Konzepten, potenziellen Gründer*innen suchen. Gemeinsam Möglichkeiten ausloten, Geschäftskonzepte prüfen und Business Pläne erstellen.
Alles begann mit einem Facebook-Post Anfang des Jahres über die Geschäftsaufgabe eines Brautmodengeschäfts in Heppenheim. Das Stadtmarketing führte Edelweiß mit JuNic, zwei Gründer*innen aus Bensheim, zusammen. Mit kreativen Ideen und der Unterstützung durch langjährige Expertise eröffnete JuNic in der Bahnhofstraße 12 ihren Wedding Concept Store.
Die Ansätze und Möglichkeiten im proaktiven Leerstandmanagement sind vielfältig. Durch den Gewinn des Landeswettbewerbs „Ab in die Mitte!“ konnte in diesem Jahr das Konzept „Raum der Wünsche“ für 3 Monate in ein leerstehendes Ladenlokal (Bahnhofstraße 14) einziehen. Die Entwicklungsgesellschaft und das KULTour-Büro als Projektverantwortliche blicken zurück auf über 100 verschiedene Aktions- und Veranstaltungsformate, viele schöne Momente, lachende Menschen, gemeinsam im Dialog. Spielende Kinder, sich begegnende Erwachsene, tanzende Besucher*innen. Das ebenfalls im „Raum der Wünsche“ aufgestellte Regionalregal, bot mehr als zehn Lorscher Betrieben, die bisweilen nur online tätig waren, sich zu präsentieren. Frau Ling mit Piet`s Hund & Co, als eine der Ausstellerinnen, wagte im November den großen Schritt und eröffnet ihr eigenes Geschäft in der Römerstraße 10. Der „Raum der Wünsche“, nicht nur Wunscherfüller, sondern auch Sprungbrett in eine erfolgreiche Zukunft.
Vor knapp zwei Jahren eröffnete Eva Florales in eben dieser Immobilie in der Römerstraße ihr Ladenlokal und zog damit von Einhausen nach Lorsch um. Mit ihrem Konzept aus Bekleidung, Dekoration und Floristik traf sie in Lorsch voll ins Schwarze. Dem Ecklokal entwachsen zog sie kürzlich in die Bahnhofstraße 3 und verdreifachte damit ihre Verkaufsfläche und damit einhegend auch ihr Sortiment.
Lorsch kann auch Pop-Up: Die Klosterbar als Zwischennutzung in einer, über die Vorkaufsrechtssatzung erworbenen Immobilie, ermöglichte es dem Gründer Moritz Schumacher, sein Konzept an prominenter Stelle, direkt vor der Torhalle, zu testen. Der Erfolg zeigte schnell, dass das Pop-Up-Konzept in Lorsch verstetigt werden sollte. Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten von der Entwicklungsgesellschaft geprüft. Es bleibt also spannend.
Das ehemalige Hexenhaus wird endlich wieder zu dem, was es sein sollte. Eine gute Stube mit viel Gemütlichkeit, Gastfreundschaft und vor allem leckerem Essen. Seit Oktober bereichert die Gudd Stub die gastronomische Vielfalt der Innenstadt. Und auch das Wirtshaus zum Weißen Kreuz meldet sich nach kurzer Pause mit neuem Konzept und bewährter Qualität zurück.
Auch die Dienstleistungsstruktur hat sich in der Lorscher Innenstadt verändert. Nach der Schließung des Friseursalons Dumos Haarlounge wurde nach einer kurzen Umbauphase sofort eine Nachfolgenutzung in der Bahnhofstraße 9 realisiert. Frau Janson hat mit Ihrer Eröffnung von Janson Studio Haar und Beauty gerade den Gründerpreis in der Rubrik Handwerk erhalten.
Auch Julia Diehl hat mit ihrem Kosmetikstudio den Weg von Einhausen in die Lorscher Innenstadt (Bahnhofstraße 8) gefunden und bereichert mit ihrem Angebot das Dienstleistungsspektrum.
Aber nicht nur das Neue, sondern auch lang Etablierte schafft Anlässe zum Feiern. 300-Jahre Bäckerei Drayß, 30 Jahre Birkenhof, 20 Jahre Yufka Döner… wenn das nicht für den Standort Lorsch spricht.
„Vielleicht geht nicht immer alles so schnell und reibungslos, wie wir uns das wünschen. Oft arbeiten wir lange im Verborgenen, bis die Ergebnisse in Lorsch sichtbar werden. Manchmal braucht es den Mut zum Scheitern, den Willen zum Experiment. Aber wir sind stolz auf das, was wir in diesem Jahr erreicht haben. Wir sagen Danke an alle, die mit uns „gespielt“ haben, die mit ihren kreativen Ideen die Innenstadt bereichert haben“, zieht Stephanie Walter Resümee.